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Work Spaces — Ein Leitfaden für die räumliche Zukunft der Denkarbeit

11.02.2022
minimum-Gründer Wilfried Lembert gibt einen Ausblick auf die aktuellen und zukünftigen Chancen und Herausforderungen der Arbeiten im Büro und Zuhause.

Dass die Digitalisierung unsere Arbeitswelt revolutionieren wird, war abzusehen. Doch nachdem Corona diesen Prozess radikal beschleunigt hat, stellt sich die Frage: Was wird nach Corona das »New Normal«? Um Kontakte zu minimieren, mussten Mitarbeiter:innen von heute auf morgen ihren Arbeitsmittelpunkt räumlich nach Hause verlegen. Bereits entwickelte Tools zur digitalen Zusammenarbeit erlebten so ihren Durchbruch. Aber was wird davon bleiben?

Pandemiebedingte Entscheidungen mit Auswirkungen auf unser soziales Miteinander haben natürlich auch sehr stark in die Arbeitswelt hineingewirkt und werden dies weiterhin tun. Hier sind Unternehmen gefordert, Strukturen zu finden, gesundheitlich bedingte Ängste der Mitarbeiter:innen und die soziale Prägung – und damit auch den Wunsch nach sozialen Kontakten untereinander – sinnvoll zu strukturieren. Nicht zu vergessen die Veränderung in der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel mit aktuell 25 Prozent weniger Fahrgästen im Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten. Werden wir auch zukünftig öffentliche Verkehrsmittel meiden, selbst wenn der Weg zur Arbeit deren Nutzung erforderlich macht? Oder sollen wir in Zukunft »zur Arbeit gehen« – im wahrsten Sinne des Wortes – und dafür entsprechende Orte schaffen? Wird »Pendeln« die Ausnahme sein?

»Die Zukunft der Arbeit kann nur Vielfalt bedeuten.«

Für Menschen, die im Homeoffice zu Hause arbeiten können und wollen, für kreative Arbeit, die den persönlichen Austausch im Office braucht, für eine emotionale Bindung an das Unternehmen, das Miteinander, die Integration, für das Weitergeben von Knowhow und für alles dazwischen, das sich remote oder im Co-Working-Space abspielt.

All das spricht für ein hybrides Modell, eine Struktur, die sich daran messen lassen muss, wie optimale Ergebnisse erzielt werden können. Das beste System für die Betriebsorganisation – mit sinnvoller Einbindung aller Mitarbeiter:innen – muss von jedem Unternehmen individuell gefunden werden.

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Ein Beispiel für die Wandlungsfähigkeit von Gründerzeitimmobilien: Aus dem Kesselhaus einer ehemaligen Brauerei wurde temporär ein Restaurant mit Bar und nun nach erneutem Umbau ein Co-Working-Space.


Das Network-Office

Die Firma der Zukunft wird aus einem Netzwerkangebot an Orten mit spezifischen Angeboten für optimales Arbeiten bestehen. Das Unternehmen wird räumlich gesehen zum Network-Office. Die Ausstattung der Netzwerk-Orte richtet sich nach der Betriebsorganisation und der Unterstützung der jeweiligen Mitarbeiter:innen oder Teams für die beste Zielerreichung. Welche wesentlichen Orte bilden das Network-Office?


Das Homeoffice als Rückzugs-Konzentrationsbüro – Homeoffice dort, wo Homeoffice möglich ist

Ein Aspekt der Arbeit der Zukunft wird das Homeoffice sein – das bleibt. Um in der gewohnten persönlichen Umgebung konzentriert arbeiten zu können – ohne Unterbrechungen durch das betriebliche Umfeld –, muss das Homeoffice künftig den Vorgaben einer ergonomischen Arbeitsstätte gerecht werden. Mit einem heimischen Arbeitsplatz, der die Anforderungen der Arbeitsstättenrichtlinie erfüllt und an dem produktives Arbeiten unabhängig von familiären Gegebenheiten möglich ist. Für administrative Tätigkeiten, das Abarbeiten von Aufgaben aus Projekten, aber auch kreatives Arbeiten ist das Homeoffice prädestiniert.
Bereits vor Corona gab es virtuelle Callcenter, in denen Mitarbeiter:innen zu Hause, oft in Teilzeit, Call-Center-Dienstleistungen für Unternehmen erbrachten. Die Homeoffices wurden per Video-Begehung zertifiziert und danach für die Heimarbeit freigegeben. Das Arbeiten in der gemeinsamen Cloud erlaubt den DSGVO-konformen Umgang mit Firmen- und Kundendaten. So zertifiziert die Gesellschaft für Telearbeit (GEFTA) Arbeitsplätze dieser Art seit vielen Jahren.

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Im Vordergrund nachdenken — im Hintergrund konzentriertes Arbeiten: das minimum Office Loft.

Das Nachbarschafts-Büro – der Dritte Ort

Zu Beginn der 90er Jahre formulierte die Trendforscherin Faith Popcorn mit ihrem Popcorn Report den Begriff der sogenannten Neighbourhood-Offices. Sie fragte sich, warum aus Brooklyn alle Bank- und Versicherungsangestellten täglich in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln morgens nach Man- hattan rein- und abends wieder rausfuhren, nur damit jeder unter Beobachtung von Vorgesetzten in seinem Cubicle (seiner Großraumzelle) seiner Arbeit nachgehen konnte. Sie schlug bereits damals vor, die Unternehmen aus Manhattan sollten für die Mitarbeiter:innen aus Brooklyn Nachbarschaftsbüros einführen, damit diese sich dort treffen und arbeiten könnten. Sie ging sogar einen Schritt weiter und meinte, dass diese Nachbarschaftsbüros für Mitarbeiter:innen unterschiedlicher Unternehmen offen sein sollten, um von dem zusätzlichen Austausch zu profitieren. Heutzutage bezeichnen wir solche Orte als Co-Working-Spaces.
In einer Studie, die wir zusammen mit der Berliner Immobilienmarken-Agentur TPA unter dem Motto »for better living« bereits vor einigen Jahren entwickelten, gingen wir von drei wesentlichen Szenarien für urbanes Leben in der Zukunft aus. Dabei prägten wir den Begriff der »Dritten Orte« oder »Third Places«. Aus dem Arbeitszimmer in der eigenen Wohnung, das sich aufgrund steigender Mieten immer weniger Menschen leisten können, wird durch Auslagerung die Mitgliedschaft im Co-Working-Space, ein dritter Ort als Wohnungserweiterung.


Nun erleben wir diese Transformation aus dem urbanen Leben/Wohnen in der Arbeitswelt sehr intensiv. Zum einen werden »Dritte Orte« als Ersatzangebote für Homeoffice-Alternativen benötigt, in denen sich auch Teams von Unternehmen treffen und arbeiten können. Zum anderen bereichern »Dritte Orte« die Organisationsstruktur von Unternehmen um eine weitere Dimension: Sie werden zu Pufferflächen für Wachstum und eignen sich hervorragend für Projektteams, die sich aus firmeninternen Mitarbeiter:innen und externen Dienstleister:innen zusammensetzen. Genau diese Flexibilität, für Team- und Projektarbeit optimal ausgestattete Räume spontan anmieten zu können, wird ein wesentlicher Baustein des Network-Office werden.


Die Firmenzentrale – Meetingzentrale / Businesslounge / Werkstatt / Labor

In vielen Unternehmen herrscht längst ein Bewusstsein darüber, dass sich die Anzahl der tatsächlich benötigten Arbeitsplätze durch Faktoren wie Urlaub, Krankheit und arbeitsbedingte Abwesenheit bei nicht fest zugewiesenen Arbeitsplätzen deutlich reduzieren lässt. Trotzdem bleibt die Firmenzentrale die Heimat des Unternehmens, ein sozialer Anker durch die Mitarbeiter:innen, die man in der Regel vor Ort antrifft. Eine Heimat, die sich nicht durch einen eigenen Arbeitsplatz mit persönlichen Gegenständen erzeugen lässt, aber den Wunsch nach Zugehörigkeit und Austausch befriedigt. Gerne wird in diesem Zusammenhang vom Office-Club oder Club-Office gesprochen. Dabei sollte dieses Club-Office so gestaltet sein, dass es Mitarbeiter:innen des Unternehmens ein Bedürfnis ist, dorthin zu kommen, um nichts zu verpassen. Auch das Onboarding neuer Mitarbeiter:innen kann nur in der Firmenzentrale vermittelt werden. Das so wichtige Wir-Gefühl, die Bindung an das Unternehmen – all das erfordert eine Heimat. Eine rein digitale Einarbeitung wird nicht funktionieren.

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Auch in Zukunft werden Firmen zur Unternehmensentwicklung und -steuerung eine Schaltzentrale benötigen.


Corona hat gezeigt, dass die kreative Performance von Unternehmen mit der Verlagerung der Mitarbeiter:innen ins Homeoffice abgenommen hat. Unternehmen, die geblendet waren vom Einsparpotenzial bei den Mieten und die eigenen Flächen in Innenstadtlagen reduzierten, rudern bereits zurück. Sie stellten schnell fest, dass sich die Unternehmensperformance negativ entwickelte. Impulse durch informellen Austausch können nur schwerlich digitalisiert werden. Dies wird auf eine prozentuale Reduktion von festen Arbeitsplätzen an Firmenstandorten hinauslaufen. Ein Performance-Quotient kann in Zukunft darüber Auskunft geben, wie viele Mitarbeiter:innen regelmäßig am Standort sein sollten, um die optimale Performance des Unternehmens zu gewährleisten. Dieses Vorgehen erfordert neue digitale Tools für den reibungslosen Ablauf: Wer ist wann wo im Unternehmen? Wie kann ich meinen Arbeitsplatz in der Nähe von Kolleg:innen buchen, mit denen ich gemeinsam an einem Projekt arbeite?


»Das so wichtige Wir-Gefühl, die Bindung an das Unternehmen — all das erfordert eine Heimat.«


Wie könnte eine Firmenzentrale aufgebaut sein? Oft schon haben wir festgestellt, dass aus einer Ist-Situation ein neues Gebäude geplant wird und die aktuelle Betriebsorganisation über den neuen Grundriss gelegt wird. Diese Manifestation von Bürostrukturen macht Unternehmen schon beim Einzug verhindernd alt. Nur: Gebäude existieren länger als Unternehmens-Organisationsstrukturen. Sollte deshalb eine Firmenzentrale nicht auch ein Labor, Theater oder Werkstatt sein, um sich permanent auch räumlich anpassen und verändern zu können? »Ich will nicht zurück ins Großraumbüro« ist oft das schlagende Argument von Rückkehrverweiger:innen. Aber darum geht es nicht. Vielmehr sollten unterschiedlichste Arbeitsformen ermöglicht und gefördert werden, inklusive Rückzugsräumen für konzentriertes Arbeiten. Gleichzeitig könnte jeder Raum, jeder Flur dazu inspirieren, den informellen Austausch und das Zusammenkommen zu fördern.

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Für heycar hat minimum Projekt ein Büro als Dorf gedacht. Neben einem kompletten Geschoss, das wie ein kommunikativer Dorfplatz funktioniert, sind hier sogar die Gänge Orten des Austauschs. 

Wir kennen solche Strukturen aus dem Dorf. Eigentlich schätzen alle das Gefühl, in der Geborgenheit und Sicherheit eines Dorfes zu leben und zu arbeiten. Man kennt sich. Jeder hat seinen Rückzugsort und ist trotzdem in die Dorfgemeinschaft eingebunden. Der informelle Tratsch am Gartenzaun hilft, dass alle möglichst alles wissen. Es gibt gemeinsame Veranstaltungen, spezifische Projektgruppen in Form von Vereinen, selbst die Sharing Economy wurde im Dorf erfunden, indem man sich Kühlfächer in der Dorfmolkerei teilte und sich am Samstag zum Brotbacken am Gemeindebackofen traf. Gemeindehäuser waren die Bibliotheken von heute und jedes noch so kleine Dorf hatte ein Gasthaus.


Aus unserer Sicht gibt es kein Großraumbüro. Es ist im besten Sinne ein Village: heterogen gestaltet und mit vielfältigen Angeboten, die man in einem funktionierenden Dorf wiederfinden würde.

Dieser Artikel ist in der mintdesign-Broschüre erschienen, in der Sie hier digital blättern können, und ebenso im minimum Print-Magazin veröffentlicht worden, welches wir Ihnen gernen kostenfrei zweimal jährlich zusenden